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  • 09.09.2016 15:37

Nach zwei Jahren Pause sollen in Utah wieder die Rekorde fallen

Am 10. September ist es wieder so weit. Dann lädt die Utah Salt Flats Racing Association nach Bonneville zur World of Speed und damit zur Jagd auf Rekorde ein

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Kein Zweifel, es gibt attraktivere Gegenden im amerikanischen Bundesstaat Utah als die Bonneville Salt Flats. Monument Valley oder Bryce Canyon zum Beispiel. Dennoch zieht es jedes Jahr Fans schneller und schnellster Fahrzeuge mit zwei, vier oder noch mehr Rädern in die Große Salzwüste. "In the Middle of Nowhere", also mitten im Nirgendwo. Hier sagen sich noch nicht einmal die Füchse "Gute Nacht". Weil es keine gibt.

Titel-Bild zur News: Venturi VBB-3

Venturi VBB-3 Zoom

Und weil überhaupt weder Tiere noch Pflanzen vorhanden sind - nur meist von August bis Oktober statt eines Salzsees eine riesige, ausgetrocknete, topfebene, in der Sonne gleißend weiße und glatte Salzfläche bis zum Horizont. Sie ist seit mehr als 100 Jahren idealer Untergrund für alle möglichen Fahrzeuge mit hohen und höchsten Geschwindigkeiten. Am 10. September ist es wieder so weit. Dann lädt die Utah Salt Flats Racing Association nach Bonneville zur World of Speed und damit zur Jagd auf Rekorde ein.

Manchmal meinen es die Umstände mit den Jägern und Sammlern aberwitziger Temporekorde im Mormonenstaat Utah weniger gut. So zum Beispiel im vergangen und im Jahr davor. 2014 und 2015 weigerte sich der Untergrund am International Speedway standhaft, völlig auszutrocknen und die notwendige Stärke zu erreichen. Wegen zu viel Wasser und zu wenig Salz mussten die Tempo-Junkies unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren.

Angefangen hat die Raserei vor 120 Jahren mit einem Fahrradrennen

Die Schuld daran trug der Salzabbau in der Nähe. Veteranen erinnern sich, dass die Salzschicht in den 1950er-Jahren noch bis zu 60 Zentimeter dick war, heute sind es meist nur noch fünf. Die Sorge ist groß, dass die Weltrekordjagd eineinhalb Autostunden westlich von Salt Lake City bald der Vergangenheit angehört. Doch dieses Jahr stehen die Ampeln endlich wieder auf grün. So fand bereits im August die Bonneville Speed Week statt, im September gibt es an gleicher Stelle die World of Speed und im Oktober abschließend die World Finals.

Rekordfahrzeug Blitzen-Benz: 229,85 km/h (1914)

Rekordfahrzeug Blitzen-Benz: 229,85 km/h (1914) Zoom

Angefangen hat die Raserei vor 120 Jahren mit einem Fahrradrennen. 1914 ließ sich der amerikanische Rennfahrer Teddy Tetzlaff zum ersten Mal mit einem Auto auf den Bonneville Salt Flats sehen. Mit seinem deutschen Blitzen-Benz, einem für Autorennen eigens konstruierten Wettbewerbsfahrzeug von Benz & Cie in Mannheim (Vier-Zylinder-Reihenmotor, 21,5 Liter Hubraum, 147 kW / 200 PS) schaffte er 229,85 km/h.

Danach erzielten auf der Salzpiste todesmutige Tempofreaks hunderte nationale und internationale Rekorde. 1935 raste der Schotte Malcolm Campbell mit 485 km/h erstmals mehr als 300 Meilen in der Stunde mit seinem Campbell Rolls-Royce Railton Blue Bird (Rolls-Royce-V12-Motor, 36,7 Liter Hubraum, 1.715 kW / 2.332 PS). Auf gleich fünf Weltrekorde an gleicher Stelle brachte es der Amerikaner Craig Breedlove 1963, 1964 und 1965. Mit verschiedenen Fahrzeugen mit Strahltriebwerk, die alle den Namen "Spirit of America" trugen, beschleunigte er zuerst auf 657,114 km/h, dann auf 754,330 km/h, 846,861 km/h, 893,966 km/h und 966,961 km/h.

Rekordfahrzeug Railton Blue Bird (Replika): 484,620 km/h (1936)

Rekordfahrzeug Railton Blue Bird (Replika): 484,620 km/h (1936) Zoom

Raketenauto Blue Flame: erstmals über 1.000 km/h

Erster mit über 1.000 km/h war im Oktober 1970 der Amerikaner Gary Gabelich mit seinem Raketenauto Blue Flame (1.001,67 km/h). Dieser Rekord bestand 13 Jahre lang bis der Engländer Andy Green mit seinem Thrust SSC (SSC = Super Sonic Car) erstmals mit einem düsengetriebenen Landfahrzeug die Schallmauer durchbrach und 1.227,985 km/h fuhr - allerdings nicht auf den Bonneville Salt Flats, sondern rund 500 Kilometer westlich in der Black Rock Desert im Bundesstaat Nevada. Sein Fahrzeug besitzt zwei Rolls-Royce-Spey-202-Triebwerke, die auch im F-4-Phantom-Kampfflugzeug benutzt werden und eine Leistung von 82.000 kW / 112.000 PS entwickeln.

Schnellstes radangetriebenes Auto mit Verbrennungsmotor ohne Motoraufladung ist der Spirit of Rett Streamliner des Amerikaners Charles E. Nearburg (666,776 km/h). Im August 2010 stellten Studenten der Ohio State University einen Weltrekord für Elektroautos mit 495,140 km/h auf, als schnellster Diesel auf den Bonneville Salt Flats war im August 2006 Andy Green mit seinem JCB Dieselmax unterwegs (563,418 km h).

Rekordfahrzeug Blue Flame: 1001,667 km/h (1970)

Rekordfahrzeug Blue Flame: 1001,667 km/h (1970) Zoom

Auch für Zweiräder gibt es eine Rekordliste. Derzeitiger Spitzenreiter ist der Amerikaner Rocky Robinson, der mit seiner Top Oil Ack Attack, die für Laien keineswegs als Motorrad erkennbar ist, im September 2010 genau 605,698 km/h fuhr. Das Kraftrad verfügt über zwei turbogeladene Suzuki-Motoren mit zusammen 2,6 Litern Hubraum und 750 kW / 1.020 PS. Triumph will in diesem Jahr die 400-Meilen-Marke knacken und mit der Infor Rocket Streamliner über 640 km/h schnell sein.

Die 1.000-Meilen-Grenze soll 2017 fallen

Ein riesiges Regelwerk mit strikt getrennten, Dutzenden und Aberdutzenden von Rubriken dient der Ordnung. Denn vom motorisierten Rollstuhl bis zum raketengetriebenen Einsitzer darf alles mitmachen, was Räder hat. Auch die Wahl des Treibstoffs bleibt den Teilnehmern überlassen, egal ob Äther, Benzin, Diesel, Ethanol oder Elektrizität. Auf diese Weise summieren sich die derzeit gültigen unterschiedlichen Weltrekorde auf über 700. Um die Zeit korrekt messen zu können, wird eine schnurgerade Kurzstrecke über sechseinhalb und eine längere über elf Kilometer abgesteckt.

Rekordfahrzeug Thrust SSC: 1227,99 km/h (1997)

Rekordfahrzeug Thrust SSC: 1227,99 km/h (1997) Zoom

Der kleinere Kurs gehört den Fahrzeugen, die nicht schneller als 282 km/h sind, die längere mit einem genügend langen Bremsweg für rasantere Fortbewegung. Auf diesen Pisten gilt es, über eine Meile (1,6 Kilometer) in beide Richtungen entweder aus dem Stand oder fliegend zu starten. Regeln, Strecken und ein paar transportable Toiletten sind die einzigen künstlichen Einrichtungen während der Veranstaltungen. Für Schatten, Kühlung und Getränke haben die Teilnehmer selbst zu sorgen, was bei Temperaturen von über 40 Grad Celsius lebenswichtig sein kann.

Wenn am 10. Dezember auf den Bonneville Salt Flats wieder die Motoren dröhnen und die Raketentriebwerke fauchen, werden von einem Fahrzeug nur pfeifende Windgeräusche zu hören sein. Die in Sachen Tempo recht rührigen Studenten der Ohio State University in Columbus/Ohio wollen mit ihrem neuen Elektrofahrzeug Venturi Buckeye Bullet 3 ihren alten Rekord von 2010 übertreffen. Dafür haben sie via Internet fleißig Spenden gesammelt und ihr Auto auf 2.237 kW / 3.041 PS getunt. Das soll für über 700 km/h reichen.

Rekordfahrzeug Venturi Jamais Contente: 495,140 km/h (2010)

Rekordfahrzeug Venturi Jamais Contente: 495,140 km/h (2010) Zoom

Für das kommende Jahr hat sich Weltrekordler Andy Green ebenfalls etwas Besonderes vorgenommen. Als hauptberuflicher Pilot der britischen Royal Air Force im Rang eines Oberstleutnants ist er an hohes Tempo gewohnt und will als erster Mensch mit seinem Bloodhound SSC die 1.000-Meilen-Grenze knacken. Dann sollen 99.300 kW / 135.000 PS das 13,5 Meter lange Monstrum mit Raketenantrieb in Bewegung setzen. Bis auf über 1.609 km/h.