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  • 08.12.2017 12:58

  • von Daniel Hohmeyer

VW Golf GTI TCR im Test : Wirklich idiotensicher?

Auf die Rennstrecke in Vallelunga testen wir unter Anleitung von Hans-Joachim Stuck den TCR, der sich etwa 65 Prozent der Komponenten mit dem Serien-GTI teilt

(Motorsport-Total.com/Auto-News.de) - Motorsport für Einsteiger. Wie das aussieht, ist wohl Interpretationssache, denn für manche wird "Einstieg" bedeuten, in einem Go Kart durch ein paar Kurven zu wedeln. Für andere mag es der ausgehöhlte BMW E36 mit geschweißtem Differential sein. Für VW Motorsport bedeutet "Einstieg" mindestens 95.000 Euro plus Mehrwertsteuer. So viel kostet die Rennversion des Golf GTI, der TCR. Laut Reglement der TCR-Rennserie muss er mit Fahrer mindestens 1.285 Kilo wiegen.

Titel-Bild zur News: VW Golf GTI TCR

VW Golf GTI TCR Zoom

Bei 350 PS und 420 Newtonmetern sorgt das für Fahrleistungen, die einem Straßenmodell ähnlich sind: in 5,2 Sekunden auf 100 km/h (Serien-GTI: 6,4 Sekunden). Die Teilnahme an einer kompletten TCR-Saison kostet übrigens locker über 500.000 Euro, wobei es ein bisschen davon abhängt, wie viele Autos der Fahrer vernichtet. Der TCR, der sich etwa 65 Prozent seiner Komponenten mit dem Serien-GTI teilt, soll besonders gut für den Einstieg in den Motorsport geeignet sein. Warum? Weil er sich angeblich idiotensicher fährt.

Mit 114 Dezibel in den Begrenzer

Um diese These zu überprüfen, hat VW eine Gruppe Crash-Test-Dummies, äh... Motorjournalisten auf die Rennstrecke in Vallelunga, nahe Rom, eingeladen. Als Mitglied dieser Truppe nehme auch ich in der Rennschale Platz. Der Sechspunktgurt schnürt mein Skelett an Ort und Stelle und der Rennanzug sorgt dafür, dass meine Organe bei einem flammenden Inferno nur gedünstet, nicht gebraten werden. Außerdem haben die Rettungskräfte weniger Arbeit, wenn der Journalist vor dem Einschlag in die Mauer bereits eingetütet ist - das bedeutet weniger Suchen und Einsammeln.

Zeit, den Zweiliter-Vierzylinder anzuwerfen. Bis zu 114 Dezibel sägen aus Motorraum und Endrohren. Klingt um einiges besser als die einschläfernd summende Serienversion. Linker Fuß auf die Bremse, rechter aufs Gas. Nicht außergewöhnlich - wie im Go Kart. Auch nicht außergewöhnlich: das Getriebe. Wie im Straßen-Golf wechselt ein DSG die Fahrstufen, wobei die Übersetzung des TCR etwas anders ausfällt. Der erste Gang wurde verlängert und der sechste verkürzt.

Gesichtsverformung garantiert

In der TCR-Rennserie fährt allerdings keines der Teams mit DSG. Alle setzen auf das sequenzielle Sechsgang-Getriebe mit schnelleren Schaltzeiten. Der Preis für diese Ausführung: 115.000 Euro plus Mehrwertsteuer. "Warum fährst du Vogel dann die DSG-Version, obwohl niemand damit Rennen fährt?", fragt ihr euch. Ganz einfach: Weil ich beim DSG weniger kaputt machen kann! Jetzt aber zur Fahrerei. Einführungsrunde: Hans-Joachim Stuck düst im normalen GTI voraus, um mir die Strecke zu zeigen.

Das schwergängige Bremspedal lässt sich großartig dosieren - sehr viel besser als befürchtet und die Bremswirkung der 378er Scheiben vorne und der 272er hinten zerknautscht das behelmte Gesicht wie die Schnauze eines Shar Pei. Noch fehlt es den 285er Michelin-Slicks an Temperatur, doch die Stimmung im Cockpit heizt sich bereits auf. Der TCR fährt sich tatsächlich einfach! Nur ein Idiot könnte damit einen Fehler machen.

Von wegen idiotensicher

Fünf Sekunden später zeigt meine Front in die falsche Richtung. Eine kleine Rauchwolke streicht über die Karosserie. Zu viel Bremsdruck, zu viel Lenkwinkel?! Zurück in der Box nickt Hans-Joachim Stuck mit wissendem Grinsen. "Gerade Bremsen, dann Lenken", sagt er. Es folgen ein paar aufbauende Worte, die mir den Eindruck vermitteln, ich sei nicht gänzlich unfähig, dann gehe ich wieder auf Strecke. Diesmal ohne Führungsfahrzeug. Um ehrlich zu sein, der TCR ist wirklich einfach zu fahren.

Die servolose Lenkung spricht präzise, aber ohne nervöse Direktheit an, die Leistung überwältigt nicht, sondern lässt einem Zeit, alle Informationen kognitiv zu verarbeiten. Man braucht nur ein kleines bisschen Übung. Ich bin insgesamt nicht mehr als zehn Runden gefahren (ohne weiteren Dreher) und habe bereits in dieser kurzen Zeit ein gutes Gefühl für das Auto entwickelt. Die Reifen brauchen jedoch Temperatur. Das zu lernen, ist die größte Herausforderung für den normalen Autofahrer. Beim Rangieren auf dem Supermarktparkplatz spielen Reifentemperaturen schließlich keine Rolle.