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  • 18.11.2009 17:30

  • von Maximilian Kroiss

KALEX-Moto2: Motorrad-Virus als Initiator des Projekts

Alexander Baumgärtel im Exklusivinterview: Zusammen mit Klaus Hirsekorn wagt der Technikfreak in der neuen Moto2-Kategorie den Sprung ins kalte Wasser

(Motorsport-Total.com) - Alexander Baumgärtel und Klaus Hirsekorn sorgen mit ihrer Eigenentwicklung nicht nur hierzulande für Schlagzeilen. Als erstes Team und sozusagen auch als Entwicklungspartner für den Rennbetrieb konnte niemand geringerer als der zweifache 250ccm Ex-Weltmeister Sito Pons gewonnen werden. Mit einem Schlag war das brandneue deutsche Grand-Prix-Motorrad auch in Spanien in aller Munde. 'Motorsport-Total.com' hat sich mit dem Konstrukteur der KALEX-Moto2, Alex Baumgärtel, eingehend unterhalten.

Titel-Bild zur News:

Alexander Baumgärtel sieht das Moto2-Projekt auf einem guten Weg

Frage: "Alex, wie kommt man als Autobauer auf die Idee, ein Motorrad zu bauen?"
Alexander Baumgärtel: "Das ist eigentlich ganz simpel erklärt: Ich trage den Motorrad-Virus schon seit Kindheitstagen mit mir herum. Im Alter von zehn Jahren habe ich mein erstes Moped bekommen und später als Jugendlicher bin ich Motocross-Rennen im OMK-Pokal gefahren. Und nach dem Ausstieg von Opel aus der DTM im Jahr 2005 bin ich mehr oder weniger wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Zusammen mit meinem Partner Klause Hirsekorn haben wir uns damals entschlossen, ein eigenes Motorrad für die Rennstrecke zu bauen. Die KALEX AV1 mit einem Rotax V2-Motor war unser erstes Werk. Für uns ist es eigentlich der gleiche Konstruktionsprozess. Wir haben einen Motor und um diesen herum bauen wir ein Motorrad."#w1#

Frage: "Du bist der Konstrukteur in eurem Gespann, richtig?"
Baumgärtel: "Ja, ich bin der Konstrukteur; Klaus kommt mehr von der praktischen Seite. Er war in der DTM als Crew-Chief, Car-Chief und später dann für die Qualitätskontrolle und den Fahrzeugaufbau zuständig."

Frage: "Wenn man, so wie ihr, vom Automobilbau kommt, bedarf es nicht einer kompletten Umstellung der Denkweise?"
Baumgärtel: "Ich weiß es nicht genau. Oder lass es mich so erklären: im Glauben bereits alles zu wissen können durchaus gewisse Schwierigkeiten auftreten. Im Gegensatz aber, wenn man sich sagt, noch nicht Vieles darüber zu wissen und alles infrage stellt, was man zuvor schon gewusst hat, dann sollte diese Umstellung relativ einfach zu bewältigen sein. Die AV1 hat uns eigentlich das Selbstbewusstsein gegeben, um uns selbst für so ein Projekt anzubieten. Es ist uns gelungen gute Qualität und Performance unter Beweis zu stellen. Anhand der AV1 haben wir jede Menge gelernt und all diese Erfahrungen haben wir in das Moto2-Projekt mit einfließen lassen. Vor allem, was die Ergonomie bzw. Fahrerposition betrifft, was sich relativ schlecht am CAD errechnen lässt."

Viel Arbeit und viel Hilfe

Frage: "Wie viele Arbeitsstunden stecken eigentlich hinter eurem Moto2-Projekt und wie finanziert man so etwas?"
Baumgärtel: "In den letzten Monaten war unser Arbeitsaufwand schon sehr hoch. Mitte Mai wurde erst die Entscheidung gefällt, dass Honda den Motor liefern wird. Das heißt, dass wir erst Ende Mai die genauen Abmessungen des Motors bekommen haben und somit erst zu diesem Zeitpunkt mit dem eigentlichen Konstruktionsprozess begonnen werden konnte. Inzwischen sind fünf arbeitsreiche Monate vergangen. Das Motorrad in diesem Zeitraum fahrbereit auf die Räder zu stellen wäre aber nicht mit nur zwei Personen zu schaffen gewesen. Vor allem hat uns dabei die Firma Holzer im Bereich des Engineering sehr unterstützt. Den Arbeitsaufwand von Klaus und mir kann man mit ungefähr 350 Monatsstunden pro Mann beziffern."

Frage: "Und wie sieht es auf finanzieller Seite aus?"
Baumgärtel: "Natürlich sind wir auch hier auf Partner angewiesen, die uns unterstützen und Vorstreckungen leisten. Zum Teil handelt sich dabei auch um Technologie-Partnerschaften, die einem im Anfangsstadium unterstützen. Nur so ist es möglich. Und schlussendlich braucht man noch Kunden, die das Produkt kaufen."

Frage: "Kannst du an dieser Stelle das Joint-Venture-Abkommen mit Pons Racing genauer definieren?"
Baumgärtel: "Wir wollen in erster Linie gemeinsam mit einem Team das Motorrad weiterentwickeln. Von Anfang an sind wir mit dem Vorsatz auf die Teams zugegangen, unser Motorrad Anfang November in Valencia in einem einsatzbereiten Zustand zu präsentieren. Zum ersten Mal waren wir in Le Mans vor Ort und unser Ziel war immer eine enge Kooperation zu finden. Denn wir sind uns durchaus darüber bewusst, dass wir ein Defizit haben, das Setup und die Abstimmung eines Motorrades auf der Rennstrecke betreffend."

Die KALEX-Moto2 wird von Pons Racing als A-Team eingesetzt Zoom

"Von der Konstruktions- und Entwicklungsmethodik glauben wir, dass wir gut mit unseren Mitbewerbern Schritt halten können. Aber was die Ontrack-Performance betrifft, da müssen wir klar eingestehen, dass wir noch nicht zu 100% aufgestellt sind. Aus diesen Gründen haben wir nach einer Partnerschaft gesucht, die uns auf diesem Gebiet Entwicklungsschritte ermöglicht. Mit Pons Racing haben wir zum einen ein gutes Team gefunden und zum anderen waren auch die Sympathiewerte ausschlaggebend. Wir denken die gleiche Sprache zu sprechen, so wie wir es nennen. Die weitere Entwicklung erfolgt in erster Linie nach Absprache und eingehenden Informationsaustausch mit Pons Racing."

Weitere Teams sind im Gespräch

Frage: "Ist man sich bei KALEX über das Risiko bewusst, da Sito Pons in der Szene der Ruf vorauseilt, nicht der verlässlichste Partner zu sein?"
Baumgärtel: "Im Motorsport trifft man auf viele 'Schlitzohren', wenn ich mir diese Bezeichnung erlauben darf. Aber irgendwo muss man einmal anfangen. Womöglich ist es ein Schritt mit Risiken, aber mit welchen Teams hat man dies nicht in der aktuellen Situation. Bis dato können wir uns in keiner Weise über Ungereimtheiten beschweren. Im Gegensatz, wir sind sehr zufrieden wie sich das Ganze entwickelt. So gesehen war es für uns bis dato ein guter Schritt."

Frage: "Kommen wir nochmals auf das Joint-Venture-Abkommen zurück. Heißt dies, es ist auch ein Geldfluss von Pons Racing in Richtung KALEX vorhanden?"
Baumgärtel: "Ja, natürlich ist das so!"

Frage: "Pons Racing ist aber vorerst auch das einzige Team, das KALEX beliefern wird?"
Baumgärtel: "Ja, soweit gibt es nur mit Pons Racing eine fixe Vereinbarung. Jedoch nach der Präsentation unseres Eindruck-erweckenden Motorrades in Valencia schaut es für uns doch rosiger aus und die Gespräche mit weiteren Interessenten intensivieren sich etwas."

Frage: "In erster Linie wird man aber mit Pons Racing die Weiterentwicklung vorantreiben, oder?"
Baumgärtel: "Genauso wird es sein! Pons wird unser 'A'-Team sein, und mögliche weitere Teams werden wir als 'B' einstufen. Auch wenn dies so etwas unglücklich formuliert ist. Aber das Team, mit dem man entwickelt, wird auch zuerst die neuesten Teile bekommen. Daher Pons primär versorgt und erst danach werden weitere Teams mit Neuerungen beliefert."

Frage: "Mit welchen Piloten plant Pons Racing?"
Baumgärtel: "Soweit ist nur Axel, der Sohn von Sito Pons, fixiert. Die weiteren Pläne von Herrn Pons kenne ich nicht im Detail, da müsste man ihn persönlich dazu fragen."

Erster Testbetrieb verlief positiv

Frage: "Wie lautet euer Fazit nach dem ersten Roll-Out in Valencia in der vergangenen Woche?"
Baumgärtel: "Von unserer Seite sind wir mit dem allerersten Roll-Out unserer Moto2-Maschine sehr zufrieden. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass sich Axel Pons gut aus der Affäre gezogen hat. Es war immerhin seine erste Ausfahrt mit einer Viertakt-Rennmaschine und somit ist es auch für ihn zu gewissen Umstellungen gekommen, vor allem was die Bremswirkung des Motors betrifft. Was die Funktionalität des Motorrades betrifft, gab es überhaupt keine Probleme. In erster Linie brauchen wir aber Kilometer und bis zum nächsten Test werden wir uns mit Hochdruck um das Data-Recording kümmern, damit auch wirklich alle Sensoren angebracht werden. Des Weiteren werden wir auch noch die Ergonomie etwas verbessern."

Frage: "Wann wird man das nächste Mal testen?"
Baumgärtel: " Anfang Dezember. Genauer gesagt am 9. und 10. in Valencia. Sollte bis dahin keine Entscheidung bezüglich des zweiten Piloten fallen, werden wir wieder nur mit Axel diesen Test absolvieren."

Möglichst viel soll bei KALEX im Hause entstehen Zoom

Frage: "Zum Schluss darf ich dich noch bitten einige Merkmale, technische Daten eurer Moto2-Maschine zu erklären?"
Baumgärtel: "Der Rahmen und die Schwinge sind aus dem Vollen gefräst. Das heißt, die einzelnen Segmente werden im Nachhinein verschweißt. Dies hat für uns den Vorteil einer guten Berechenbarkeit auf der einen Seite, aber auch eine gute Reproduzierbarkeit war für uns ein wichtiger Punkt, um permanent gleiche Qualität bieten zu können. Und man ist natürlich auch mit dieser Herstellungsform flexibel, um im Nachhinein Geometrieänderungen vornehmen zu können. Im Vergleich mit einer Blechpressform oder anderen Anwendungen wird es mit diesen ungemein schwieriger schnell reagieren zu können. Ein weiterer Vorteil dabei ist auch, dass man die Wandstärke variabel verlaufen lassen kann."

"Die Verkleidung besteht natürlich aus einem Kohlefaser-Kevlar-Mix. Die Formen sind aus dem Vollen gefräst. Auch hier haben wir bewusst kein Klebe-Modell in Handarbeit entwickelt, sondern die tatsächlichen CAD-Daten gefräst. Es gibt auch hier Qualitätsunterschiede, was das Material der eigentlichen Form betrifft. Auch diesbezüglich vertrauen wir auf hohe Qualität, damit wir in weiterer Folge immer eine gute Passform unserer Kunststoffteile erzielen können."

"Am Fahrwerk, Chassis, Rahmen und Schwinge sind alle Positionen nach dem Schweißen endbearbeitet. Im Normalfall kommt es bei jeder Schweißung zu einem gewissen Grad zu einem Verzug. Dieser wird durch die Endbearbeitung vollständig kompensiert, sodass jedes Fahrwerk exakt die gleichen Masse hat. Damit möchten wir natürlich die Basis für eine saubere Reproduzierbarkeit schaffen."

"Als letzte Hürde wollen wir noch das Mindestgewicht von 135kg meistern. Dabei ist aber noch der endgültige Rennmotor abzuwarten, der vielleicht etwas leichter sein wird als das Serienaggregat, wie es aktuell für die nächsten Tests eingebaut ist."

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