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  • 12.12.2016 09:46

  • von Roman Wittemeier

WEC-Saison 2016: Ein Jahr voller Abschiede

Audi-Ausstieg, Webber-Karriereende, Austausch von Romain Dumas und Marc Lieb sowie die letzte Saison der LMP2-Generation: 2016 war ein Jahr der Abschiede

(Motorsport-Total.com) - Das Ende der Saison 2016 in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) war tränenreich und hoch emotional. Die Szene nahm Abschied von Audi. Die Ingolstädter verlassen die LMP1-Bühne nach 18 erfolgreichen Jahren, in denen man 13 mal bei den 24 Stunden von Le Mans triumphieren konnte. Weitere Abschiede standen auf dem Programm. Von Mark Webber, der seine Rennkarriere beendete, von Romain Dumas und Marc Lieb, die nicht länger im Porsche-LMP1 fahren werden, von Rebellion und von der bisherigen Generation LMP2-Autos.

Titel-Bild zur News: Audi

Der Abschied von Audi zum Ende der Saison 2016 kam für viele unerwartet Zoom

Ein Ausstieg von Audi aus der Langstreckenszene hatte sich vor dem Hintergrund des Dieselskandals schon längere Zeit angebahnt. Dass der Abschied jedoch bereits zum Ende der Saison 2016 erfolgen würde, war eine Bombe, die am 26. Oktober platzte. Am Montag zuvor hatte der Vorstand des Volkswagen-Konzerns diesen Weg beschlossen, der Vorstand der Marke Audi bestätigte das Vorgehen einen Tag später bei seiner turnusmäßigen Sitzung.

"Ein Hersteller steigt aus, andere werden kommen. So ist das Leben im Motorsport", kommentierten die Verantwortlichen von WEC und Le-Mans-Veranstalter ACO lapidar. An den Audi-Standorten in Ingolstadt, Neuburg und Neckarsulm konnte man nicht mit dieser Leichtigkeit reagieren. Hunderte Mitarbeiter urplötzlich vor einer ungewissen Zukunft, das Team Joest um Ralf Jüttner und Reinhold Joest ohne Einsatzprogramm für das kommende Jahr.

Audi geht nach 18 Jahren: Entsetzten und Trauer

"Ich bin entsetzt, dass Audi diese große WEC-Familie verlässt", so Lucas di Grassi, der das Abschiedsrennen in Bahrain gemeinsam mit seinen Teamkollegen Loic Duval und Oliver Jarvis gewinnen konnte. "Es sind die Menschen, die ich am meisten vermissen werde. Ich habe den Langstreckensport früher nicht gemocht, ihn aber lieben gelernt. Als ich 2013 erstmals in Le Mans gefahren bin, habe ich mich in diese Szene regelrecht verliebt", sagt der Brasilianer.

"Ich bin stolz darauf, dass wir das letzte Rennen gewinnen konnten. Ich denke, das hatten wir ganz einfach verdient", meint Loic Duval. "Es war ein großes Vergnügen, Teil dieser Geschichte gewesen zu sein", ergänzt der dreimalige Le-Mans-Sieger Benoit Treluyer. "Ich bin traurig, einfach nur traurig", gibt Andre Lotterer zu Protokoll. Teamkollege Marcel Fässler fügt hinzu: "Es war einfach eine geile Zeit. Es war die schönste Zeit, die ich im aktiven Motorsport erleben durfte."

"Für mich war das Faszinierendste in diesen 18 Jahren zu sehen, wie eine ganze Familie im Langstreckensport zusammengewachsen ist. Alle verkörpern den Spirit, sie lieben Sportprototypen und einen guten Kampf um die Meisterschaft", sagt Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich. "Ich habe immer darum gekämpft, dass dieser Sport ein WM-Prädikat bekommt. Das ist 2012 geschehen, als die FIA eingestiegen ist und die WEC aus der Taufe gehoben wurde. Das erste Jahr war schwierig. Aber wir haben alles zusammengetragen, und was dabei herausgekommen ist, ist etwas sehr Besonderes."


"Servus": Audi nimmt Abschied von der WEC

Von 1999 bis 2016 hielt die Audi-Ära an, mit dem 6-Stunden-Rennen in Bahrain beendete die Kultmarke ihr Engagement in der Langstrecken-WM Weitere Langstrecke-Videos

"Ich habe noch immer den ersten Sieg in Le Mans (im Jahr 2000; Anm. d. Red.) in Erinnerung. Die zweite große Erinnerung ist das erste Dieselfahrzeug. Es ist ein großes technologisches Abenteuer gewesen", blickt Ullrich auf das Audi-Engagement unter seiner Leitung zurück. 107 Rennsiege feierte man in 18 Jahren mit den LMP1-Autos, 81 mal starteten Audi-Piloten von der Pole-Position. "Es war einfach eine tolle Zeit", so Ullrich abschließend.

Webber geht in Rente: Publikumsmagnet und Aufbauhelfer

Weitere Abschiede sind im Fahrerkader von Porsche zu verzeichnen. Mark Webber, der als Ex-Formel-1-Star aufgrund seiner Popularität das neue LMP1-Engagement aus Weissach in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, hängt seinen Helm an den Nagel. Im Alter von 40 Jahren hat der Australier, der im Sommer seine langjährige Lebensgefährtin Ann Neal heiratete, genug vom aktiven Rennsport. Webber wird der Marke Porsche als Botschafter erhalten bleiben.

"Er hat das gesamte Team auf ein höheres Level gebracht und jeden mitgezogen. Das gilt nicht nur für unser Auto, sondern für das ganze Porsche-Projekt. Er hatte einen enormen Anteil an den Erfolgen unseres Autos speziell in den vergangenen zwei Jahren. Es war mir eine Ehre, das Auto mit ihm zu teilen", sagt Webbers Teamkollege Timo Bernhard, den der Australier selbst als den Mann bezeichnet, von dem er im Motorsport am meisten habe lernen können.

Brendon Hartley, Mark Webber, Timo Bernhard

Ein eingeschworenes Trio: Brendon Hartley, Mark Webber und Timo Bernhard Zoom

"Klar, ich war zu Beginn der erfahrenste Langstreckenfahrer von uns Dreien", so Bernhard. "Ich habe schon meine Ideen gehabt, wie man ein Team zusammenbringt. Mark und Brendon haben sich zu Beginn sehr an mir orientiert. Wichtig ist, dass keiner den Superstar rauslässt. Mark hat es super gemacht. Er ist eine unglaubliche Persönlichkeit. Er kann ein ganzes Team wirklich von Grund auf aufbauen. Er arbeitet konzentriert und bringt die Leute zusammen, aber wirft auch hin und wieder mal einen Scherz ein. Da baut sich wirklich eine Kameradschaft auf."

"Ich habe die Entscheidung ja schon ziemlich früh getroffen, deshalb ist es eine ziemlich lange Saison bis zum endgültigen Ende geworden. Wir hatten einige besondere Siege und natürlich auch Rückschläge", sagt Webber, der 2014 einen heftigen Crash in Interlagos erlebte und 2015 die WM-Krone holen konnte. "Es ist eine große Ehre gewesen, Porsches Auto zu fahren. Die WEC ist eine große Familie. Ganz anders als in der Formel 1. Die Stimmung ist komplett anders und weniger angespannt. Das habe ich sehr genossen."

Das Aus für Lieb, Dumas, LMP2-Autos und Rebellion

Als Genuss werden auch Romain Dumas und Marc Lieb ihre Zeit im Porsche-LMP1 bewerten. Der Franzose und der Deutsche konnten sich in der Saison 2016 den Gesamtsieg in Le Mans und den Gewinn des Fahrer-WM-Titels auf die Fahnen schreiben. Trotz der großen Erfolge ist für die beiden Teamkollegen von Neel Jani nun Schluss. Porsche baut den LMP1-Kader um. 2017 werden Andre Lotterer und Nick Tandy an der Seite des Schweizers fahren - dann im Porsche mit der Startnummer 1.

"Meine professionelle Rennkarriere ist beendet. Ich werde einen Bürojob bei Porsche übernehmen", sagt Lieb. "Aber ich werde natürlich ein paar Rennen bestreiten, davon kann man sich nicht komplett freimachen. Aber ansonsten werde ich mich auf meine tägliche Arbeit konzentrieren und ein neues Kapitel beginnen." Dumas ergänzt: "Für mich gilt das ähnlich. Ich werde mit Porsche weiter arbeiten. Es gibt einige Ideen und Gespräche. Im Januar startet bereits die Rallye Dakar. Es wird nicht langweilig."

Alexandre Imperatori, Dominik Kraihamer, Matheo Tuscher

Ab ins Museum: Der Rebellion R-One wurde von Oreca entworfen und gebaut Zoom

Langeweile gab es in der LMP2-Klasse in den vergangenen Jahren nie. Das 2011 eingeführte technische Reglement mit Kostendeckelung hat sich bewährt. Nun heißt es Abschied nehmen von den Orecas, BR01, Ligiers und Gibsons. 2017 rückt die neue Generation der kleinen Prototypen an. Dallara, Onroak (Ligier), Riley/Multimatic und Oreca bringen brandneue Fahrzeuge, Gibson liefert den rund 600 PS starken V8-Einheitsmotor.

Einen weiterer Abschied hat großen Einfluss auf das Bild der privaten LMP1-Klasse. War die Kategorie mit Rebellion und ByKolles zuletzt ohnehin schon sehr dünn besetzt, so verabschieden sich die Schweizer nun in Richtung LMP2. "Die drei Saisons mit unserem R-One waren sehr erfolgreich", sagt Teamchef Bart Hayden. "Für uns geht die Ära LMP1 erst einmal zu Ende. Wir setzen unseren Fokus nun voll auf LMP2." Rebellion wird einen Oreca-Gibson in Nordamerika einsetzen, ein zweiter soll in der WEC fahren.