• 27.10.2015 13:48

  • von Roman Wittemeier

Timo Bernhard: Der Teamchef im Porsche-LMP1-Cockpit

Porsche-LMP1-Werkspilot Timo Bernhard und seine zweigleisige Karriere im Motorsport: Wie die Arbeit als Cup-Teambesitzer im Prototypen hilft - und umgekehrt

(Motorsport-Total.com) - Seit fast 25 Jahren ist Timo Bernhard im Motorsport aktiv. Trotz seiner zahlreichen Siege inklusive Triumphen bei den 24-Stunden-Rennen von Le Mans (2010), in Daytona (2003) und am Nürburgring (2006, 2007, 2008, 2009 und 2011), Titelgewinnen in den USA und im Porsche-Carrera-Cup sowie dem womöglich bevorstehenden Titelgewinn in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) lernt der 34-Jährige seit der Saison 2013 mehr denn je.

Titel-Bild zur News: Timo Bernhard

Timo Bernhard agiert im Porsche-Carrera-Cup selbst an der Boxenmauer Zoom

Der Grund liegt in einem Doppelprogramm des Saarländers. Bernhard ist nicht nur als aktiver Werkspilot im Porsche 919 Hybrid auf der Jagd nach Siegen, sondern seit 2013 mit seinem Carrera-Cup-Team "Team 75 Motorsport" auch als Verantwortlicher einer eigenen Mannschaft. In dieser Rolle arbeitet der Familienvater direkt an der Boxenmauer - wann immer seine Zeit als Profi-Rennfahrer dies zulässt. "Es ist zu hundert Prozent ein 'Family Business'. Das ist wichtig", betont Bernhard im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

"Mein Vater ist Teamchef. Ich selbst bin Teambesitzer", schmunzelt der bescheidene Porsche-Werksfahrer, der sich selbst im Rahmen seiner Aktivitäten nur ungern in den Vordergrund rückt. Aber man merkt dem erfahrenen Vollgashelden an, dass die Karriere als "Mann am Kommandostand" viel Freude bereitet. "Ich war immer schon fasziniert davon, schon in jungen Jahren", sagt er. "Ich habe in den 1980er-Jahren immer Formel 1 geschaut. Ich fand immer die Arbeit von Frank Williams gut. Was der aus dem Nichts aufgebaut hat, ist klasse."

Seit knapp drei Jahren eifert Bernhard den Briten nach - allerdings (noch) auf ganz anderer Ebene. "Man muss natürlich irgendwann lernen, wie so etwas geht. Ich habe mich also zunächst einmal auf die eigene Karriere konzentriert. Im Rahmen dessen hat unser Familienzusammenhalt eine großer Rolle gespielt. Weil das Geld gefehlt hat, haben mein Vater und ich alles selbst gemacht." Die Zahl 75 im aktuellen Teamnamen hängt mit Rüdiger Bernhard zusammen. Timos Vater begann 1975 seine Motorsportkarriere.

Familie Bernhard legt früh die Grundlagen zum Teamaufbau

"Im Kartsport und später in der Formel Ford waren wir beiden zusammen immer aktiv. Damals haben wir eigentlich schon ein eigenes Team, einen Truck und ein eigenes Auto gehabt. Wir haben zu zweit dieses Auto eingesetzt und in der Formel Ford sogar zwei Rennen gewonnen. Diese ersten Schritte waren also sehr erfolgreich", schildert Timo Bernhard die Basis für sein heutiges Team im Porsche-Carrera-Cup Deutschland.

Die Karriere als "Macher" wurde 1999 unterbrochen. Als Porsche-Junior widmete sich der damalige Nachwuchsmann voll seiner aktiven Karriere im Cockpit. Der ersehnte Schritt zum Profi war vollbracht, die gemeinsame Sache von Vater und Sohn erfuhr zunächst keine Fortsetzung. "Das war für beide Seiten zunächst wirklich ungewohnt, aber der richtige Schritt. Nur so kann man Erfolg haben", blickt der aktuelle WM-Führende der WEC zurück.

Timo Bernhard Rüdiger

Vater und Sohn sind echte Racer: Timo und Rüdiger Bernhard machen das Team Zoom

"Mein Vater ist dann wieder Rallyes gefahren, ich habe irgendwann nebenbei auch damit losgelegt. Wir haben dann einen Cup-911er für die Rallye umgebaut. Damit habe ich an der Deutschen Rallye-Meisterschaft teilgenommen. Durch dieses Projekt haben wir eine Infrastruktur aufgebaut, die damals schon sehr gut war", sagt er. "Als das LMP1-Programm mit Porsche kam, war klar, dass ich natürlich dort meine Energie reinstecke. Das ist für mich das absolute Top-Programm."

"Die gute Infrastruktur war also bei uns vorhanden. Mein Vater meinte dann, dass wir etwas daraus machen müssen", so der Plan. "Es ist naheliegend, dass man zunächst auf nationaler Ebene beginnt. Da war der Carrera-Cup die logische Wahl. Ich habe diese Meisterschaft 2001 gewonnen, ich kann also dort eine Story erzählen - es ist stimmig. So haben wir dort ein Familienteam aufgebaut. Mein Vater ist absoluter Racer. Der war natürlich sofort dabei." Als Teammanager holte man sich Klaus Graf - einen weiteren Racer also.

Wenn der Fahrer das Potenzial nicht umsetzen kann...

"Wir haben erst einmal mit einem Auto angefangen, aber wir konnten im ersten Jahr unser Potenzial nicht zeigen. Die Qualität des Fahrers war - sagen wir es vorsichtig - nicht so wirklich gut. Das war ernüchternd", drückt Bernhard seine Enttäuschung über die Saison 2013 aus. Der damalige Pilot Florian Spengler konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Familie Bernhard und die involvierten Partner - unter anderem das Porsche-Zentrum Mannheim, das zur Penske-Gruppe gehört - wollten viel mehr.

"Für das zweite Jahr war dann klar, dass wir einen 'Burner' finden mussten", sagt der Porsche-Werksfahrer. "Wir haben dann Earl Bamber gewinnen können. Dabei hat es sehr geholfen, dass ich selbst noch Fahrer bin. Man redet dann auf einer ganz anderen Ebene. Das Netzwerk ist anders, der Zugang insgesamt ebenso. Das hilft. Das ist eine unserer großen Stärken." Neben Bamber konnte Felix Wimmer das zweite Auto steuern, das das Team 75 ab 2014 einsetzte.

Bamber war die erhoffte "Granate" hinter dem Steuer. Der Neuseeländer, der in diesem Jahr gemeinsam mit Nick Tandy und Nico Hülkenberg in Le Mans triumphierte, siegte in Hockenheim und in Spielberg und führte die Meisterschaft sogar an. Dann die Ernüchterung: Die Partner und Sponsoren von Bamber forderten weitere Einsätze in Asien, die Saison im Porsche-Carrera-Cup war somit vorzeitig gelaufen. Aber eines war spätestens ab 2014 klar: Team 75 von Familie Bernhard kann die Szene aufmischen.


Mark Webber: Der perfekte Boxenstopp

Boxenstopps sind integraler Bestandteil von Langstreckenrennen. Mark Webber erklärt, warum es auch hier auf Sekundenbruchteile ankommt.

In der jüngst abgelaufenen Saison fuhr Nicki Thiim zweite weitere Siege für die Mannschaft ein. Pech hatte man mit dem Spanier Pepe Massot, dessen Rücken kaum ernsthaften Rennbetrieb zuließ. "Ich bin stolz. Wir haben mittlerweile vier Siege errungen, haben in zwei Jahren ernsthaft um die Meisterschaft mitgekämpft. Da wäre sogar noch mehr gegangen", meint Bernhard, der die Einsätze des Autos #17 selbst in der Hand hat. Um das Schwesterfahrzeug kümmert sich Dateningenieur Daniel Pfeiffer.

Als Teamchef auch im LMP1-Cockpit mit anderem Blick

"Die aktuelle Arbeit mit meinem Team hat mir nochmal einen anderen Blick auf alles gegeben. Es hilft mir für meine eigene Karriere als Profi-Rennfahrer", sagt der 34-Jährige. "Ich kann meinen Porsche-LMP1-Teamchef Andy Seidl in vielen Fällen dadurch besser verstehen. Als Fahrer sieht man die Dinge manchmal anders, man hat nicht so diesen übergreifenden Blick für das Gesamte. Die Konstellation ist für beide Seiten spannend."

"Der Respekt bei Fahrern ist automatisch vorhanden. Mit all unseren bisherigen Fahrern gab es nie eine Situation, wo der eine mal gefragt hat: 'Was will der mir denn erzählen?' Selbst wenn ich mal sagen musste, dass es so nicht geht und klar gesagt habe, wie es laufen muss, dann wurde es immer verstanden und umgesetzt. Im Umkehrschluss: Wenn ich etwas sehe, hilft es mir, wenn ich die Situation mal als Fahrer und nicht als Teamverantwortlicher bewerte. Ich kann mich in die Piloten hineinversetzen", so Bernhard.

Nicki Thiim Timo Bernhard

Lagebesprechung im Fahrerlager: Nicki Thiim und Teambesitzer Timo Bernhard Zoom

Der aktive Rennfahrer als besonnener Teambesitzer? Die Vorstellung mutet etwas seltsam an. Dennoch: Timo Bernhard verspürte selbst in mäßig erfolgreichen Phasen nie das Bedürfnis, selbst in eines seiner Autos zu steigen, um im Wettbewerb des Carrera-Cups noch einmal mitzumischen. "Ich fahre die Autos zu Beginn des Jahres selbst ein, ich fahre auch gewisse Basissetups selbst heraus. Mehr aber auch nicht", lacht er. Bei diesen Fahrten nutzt er all seine Erfahrung und das besondere Gespür. Bernhard ist einer von jenen Fahrern, die eine intensive Beziehung zu Rennfahrzeugen aufbauen.

Charme eines Chassis: Eine Seele von einem Auto

"So etwas macht man zum Teil auch immer an Erinnerungen fest, aber jedes Auto hat für mich eine Art Seele", erklärt er. "Das 2014er-Auto, mit dem Earl zwei Rennen gewonnen hat, ist so ein Spezialfall. Mit diesem 911er bin ich in meiner Heimat ein Bergrennen gefahren und habe im Regen alle anderen Autos - auch Formelfahrzeuge und so weiter - geschlagen. Das hatte niemand für möglich gehalten. Das Auto hat für mich eine Seele. Es ist mir nah."

"Leider hat dieses Auto der Ersatzfahrer für Earl am Nürburgring dann zerlegt. Da war das Chassis im Eimer und wir brauchten ein neues. Das folgende Auto hat sich nie genauso angefühlt, es konnte niemals diese besondere Bedeutung bekommen. Irgendetwas war anders", beschreibt der Le-Mans-Sieger von 2010. "Das mag kitschig klingen, aber es ist wirklich so. Viele Fahrer empfinden so, auch wenn es die meisten nicht zugeben möchten."

"Andere Teams haben auch mal so angefangen wie wir. Vielleicht sogar unter schlechteren Voraussetzungen", ordnet Bernhard sein Business ein. "In zehn Jahren möchte ich, dass unser Team bestens etabliert ist, fest zur Szene gehört. Am liebsten wäre es mir, wenn wir dann den Status eines Werksteams erhalten hätten. Das ist das Ziel. Es ist aber noch ein langer, langer Weg." Ein Vorbild könnte Olaf Manthey sein, der nach zahlreichen Erfolgen in der heimischen Eifel nun die Werkseinsätze mit den 911 RSR in der WEC abwickelt.


Fotos: Porsche Rennsport Reunion V


Die Tatsache, dass Timo Bernhard gemeinsam mit seinem Vater einen Traum lebt, macht die Mannschaft besonders sympathisch. Im Fahrerlager hilft auch unter anderem die Ehefrau Katharina mit. Oftmals mit großen Augen mitten im Geschehen: Sohnemann Paul. "Das Gesicht musst du dir merken. In 15 Jahren ist er soweit", lacht Timo Bernhard und nimmt stolz seinen Filius auf den Arm. In 15 Jahren könnte der strohblonde Racer der dritten Generation dann vielleicht bei Papa in einem Werksteam agieren...

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