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  • 15.06.2016 09:39

  • von Stritzke, Haidinger & Wittemeier

Dank SAFER Barrier: Le Mans vor neuer Schikane bewahrt

Der Circuit des 24 Heures hätte beinahe eine weitere Schikane erhalten: SAFER Barrier verhindert Streckenänderung - Fahrer noch nicht vollständig zufrieden

(Motorsport-Total.com) - Nur dank einer im amerikanischen Ovalsport erprobten Technologie ist der Circuit de la Sarthe in Le Mans vor einer Verunstaltung gerettet worden: In den Porsche Kurven stand eine scharfe Schikane zur Debatte, um Geschwindigkeiten zu reduzieren. Doch diese ist wieder vom Tisch, seit die SAFER Barrier im ersten Abschnitt des letzten Sektors mit seinen ultraschnellen Richtungswechseln eingerichtet worden ist. Ganz zufrieden sind die Fahrer mit der Maßnahme aber noch nicht.

Titel-Bild zur News: SAFER Barrier, Le Mans, Circuit de la Sarthe

Die SAFER Barrier ist ein Fortschritt, doch es gibt noch Potenzial Zoom

"Es gab nur die Optionen SAFER Barrier und Schikane", sagt Ralf Jüttner, Rennleiter beim Audi Sport Team Joest. "Und eine Schikane in den Porsche Kurven kann man sich nicht vorstellen." Oliver Jarvis fügt hinzu: "Uns wurde aber heute beim Fahrer-Briefing gesagt, dass die Alternative dazu eine Schikane gewesen wäre. Wenn das stimmt, dann stimme ich ganz klar für die SAFER-Barrier. Andre Lotterer wird deutlich: "Bei dem Gedanken (an eine Schikane) wird mir schlecht."

Tatsächlich war eine Bremsschikane ernsthaft im Gespräch, nachdem Loic Duval an dieser Stelle 2014 einen brutalen Unfall hatte. Das Ei hatte sich der ACO selbst gelegt: In den beiden ultraschnellen Linkskurven bestand lange Zeit die spärliche Auslaufzone bis zur Leitplanke aus Gras. Aus Sicherheitsgründen wurde diese dann asphaltiert. Das allerdings hat dazu geführt, dass GT-Autos die Strecke erweitert haben, um sich für die zweite Linkskurve einen besseren Winkel zu positionieren. Das wiederum hat Prototypen eine Tür geöffnet, mit riskanten Manövern innen durchzuziehen. Die Sicherheitsmaßnahme ging nach hinten los.

GT-Fahrzeuge der Auslöser

Durch die Einrichtung der SAFER Barrier, die der eigentlichen Leitplanke vorgeschaltet wird, ist nun das großzügigere Ausnutzen der asphaltierten Auslaufzone wieder vom Tisch - die GT-Boliden werden auf die "alte" Linie zurückgezwungen. Dadurch müssen sich Prototypen künftig wieder anstellen und können erst in der Karting-Kurve außen herum überholen. SAFER Barrier ist ein englisches Wortspiel: Es bedeutet einerseits "sicherere Mauer", andererseits ist es ein Akronym für "Steel and Foam Energy Reduction Barrier" - eine doppelte Mauer, in der jeden Meter eine Palette Schaumstoff beide Wände verbindet, um Energie aufzunehmen.

SAFER Barrier, Le Mans, Circuit de la Sarthe

Das Konzept der SAFER Barrier (Blick gegen die Fahrtrichtung) Zoom

Die Änderung fällt für LMP-Fahrer sehr subtil aus, wie Lotterer erläutert: "Bei der Streckenbegehung haben wir alle gedacht, dass der optische Eindruck anders sein wird, weil die SAFER-Barrier vor den Leitplanken steht und alles noch enger macht. Die Realität ist aber anders. Es fällt eigentlich nicht auf, weil man als Fahrer den Blick mehr nach links gerichtet hat." Er kritisiert aber auch: "Ich weiß nicht, warum man sie nicht weiter nach hinten gezogen hat."

Fahrer kritisieren: Zu kurz

Diesen Kommentaren schließen sich zahlreiche Fahrer an. Sie finden, dass die SAFER Barrier zu spät anfängt und zu spät aufhört. "Müsste ich die SAFER-Barrier dort anbringen, dann würde ich sie weiter nach hinten verschieben", führt Oliver Jarvis aus. "Derzeit befindet sie sich in der ersten Linkskurve. Ich würde sie vielleicht in die zweite Linkskurve verschieben."

Ford-Werkspilot Scott Dixon, der die Barrier als IndyCar-Pilot gut kennt, ist ähnlicher Meinung: "Ich denke, wann immer man eine SAFER Barrier einrichten kann, hilft es. Wenn sie noch mehr davon einrichten könnten, würde es sicher helfen." Und Lucas di Grassi würde sie am liebsten 300 bis 400 Meter länger machen. Derzeit würde die SAFER Barrier an einer Stelle enden, wo es nur wenige Unfälle gibt und wo der Einschlagwinkel noch nicht problematisch ist, klagt der Brasilianer.

Ein anderer Kritikpunkt ist der Rückprall der Autos nach einem Einschlag. "Am gefährlichsten ist ein Unfall, wenn man in stumpfem Winkel - also im Grunde frontal - in die Mauer einschlägt", holt Jarvis aus. "Dort, wo man nun die SAFER-Barrier angebracht hat, würde man parallel zur Strecke an der Barrier entlang weiterrutschen und dann relativ frontal in eine Mauer geleitet werden. Dort ist der Winkel viel gefährlicher." Dixon glaubt: "Man wird auch hier mit der Zeit lernen und es wird sicher Fortschritte geben."

SAFER Barrier funktioniert nicht überall

Ralf Jüttner nennt den Grund, warum die SAFER Barrier derzeit nur dort steht, wo sie sich befindet: "SAFER Barriers funktionieren nur da, wo die Barrier dicht an der Strecke steht. Sie helfen nur, wenn man in einem spitzen Winkel einschlägt." Aus diesem Grunde kommen die Doppelmauern mittlerweile auf jeder amerikanischen Strecke zum Einsatz. Di Grassi fordert sogar bereits, weitere Stellen mit der Technologie auszustatten, wie etwa die Kurve Tertre Rouge.

SAFER Barrier, Circuit de la Sarthe, Le Mans

Gefahrenpunkt? Die SAFER Barrier könnte Fahrzeuge ungünstig wieder ausspucken Zoom

Insgesamt sind jedoch alle Beteiligten froh, dass die deutlich bessere Option der zwei Möglichkeiten gewählt wurde. "Wenn man dort eine Schikane einbaut, dann zerstört man Le Mans", findet Loic Duval. "Insgesamt finde ich die SAFER-Barrier eine gelungene Sache. Es ist nicht so, dass sich nun ein Fahrer alles erlauben kann, denn einen Schaden wird man sich beim Anprall ganz sicher einfangen. Es ist aber sicherer und tut nicht gleich weh. Das ist gut." Im Zeitalter von asphaltierten Auslaufzonen und ewigen Track-Limit-Diskussionen gibt es also durchaus auch Maßnahmen, die bei allen Beteiligten ankommen.

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