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  • 10.04.2016 07:58

  • von Heiko Stritzke & Roman Wittemeier

ACO und IMSA: Sand im Getriebe bei DPi-Reglement

Die Sportwagen-Verbände haben ihren ersten Ehekrach: IMSA geht ACO bei DPi-Regularien zu weit - DPi in Le Mans unklar - Meisterschaften werden Konkurrenten

(Motorsport-Total.com) - Schon beim Zusammenschluss von American Le Mans Series (ALMS) und Grand-Am zur Saison 2014 war oft von einer Vernunftehe zwischen ACO und IMSA die Rede. Der Le-Mans-Veranstalter und die Amerikaner wollten den amerikanischen Sportwagensport wieder auf Vordermann bringen. Die Zusammenarbeit lief länger als von vielen erwartet reibungslos, doch nun knirscht es erstmals zwischen den beiden Motorsportverbänden, wo der letzte Schritt mit dem neuen Reglement vollzogen werden soll.

Titel-Bild zur News: Scott Sharp, Ed Brown, Johannes van Overbeek, Luis Felipe Derani

Die Zusammenführung von IMSA und WEC gestaltet sich schwierig Zoom

"Wir sind weit weg von dem, was unser ursprünglicher Plan gewesen ist", sagt Gerard Neveu, der Chef von WEC und ELMS. Zwar haben beide Verbände dasselbe Ziel, aber mit unterschiedlichem Hintergrund: Während IMSA an die glorreichen Sportwagen-Zeiten in Amerika der 80er- und frühen 90er-Jahre anknüpfen will, will der ACO die IMSA SportsCar Championship zu einem Unterbau für die WEC machen.

So sah der Entwurf vor, LMP2-Boliden als Basis zu nehmen, leicht an Motoren und Bodykit zu modifizieren und ihnen einen Le-Mans-Start in der LMP2-Klasse zu ermöglichen. Mit einer Balance of Performance beim Motor, aber dem standardmäßigen Bodykit. Die Idee erschien logisch, ist aber in der Praxis schwer umzusetzen. Die IMSA will Werksteams anlocken, was aber durch die Einschränkungen (des ACO) bei den verfügbaren Chassis schwierig ist. So öffnete IMSA die Modifikationsmöglichkeiten nach und nach und präsentierte den Regelrahmen für die DPi bereits im vergangenen Jahr.

Streitthema ECU

Und diese stießen beim ACO auf nur wenig Gegenliebe. Um V10-Motoren zu erlauben, hat IMSA Änderungen am Motorraum erlaubt. Heftigster Streitpunkt ist aktuell die Frage nach der zu verwendenden Elektronik. IMSA hat diese im aktuellen Regelwerksentwurf freigestellt. Neveu ist entsetzt: "Wenn wir die amerikanischen Motoren unserem Gibson-Motor (in Le Mans; Anm. d. Red.) angleichen wollen, dann brauchen wir die Daten ihrer Motoren. Und das funktioniert nicht, wenn sie nicht dieselbe ECU verwenden."

Die IMSA wehrt sich in einer Presseaussendung. "IMSA, ACO und FIA haben in diesem Prozess eng zusammengearbeitet und werden es auch weiter tun", heißt es dort. "Alle drei Organisationen haben Bedenken zu verschiedenen Zeiten geäußert. Es ist alles im Sinne der Zusammenarbeit." Allerdings gibt die amerikanische Motorsportbehörde unumwunden zu, andere Interessen zu haben als der ACO, für den die LMP2 reiner Kundensport ist.


Fotos: WEC-Prolog in Le Castellet


Was wird aus DPi in Le Mans?

Und so setzen Pierre Fillon und Co. ihre stärkste Waffe ein und stellen einen Start der DPi in Le Mans in Frage. Da die 24 Stunden von Le Mans in ihrer Strahlkraft selbst die motorsportlich eher abgeschotteten USA erreichen und die DPi-Regeln ans LMP2-Regelment geknüpft sind, kann IMSA derzeit auch nicht die endgültigen Regeln für die DPi-Kategorie präsentieren. Aus diesem Grunde hat es noch keine einzige Bestätigung eines Herstellers für ein IMSA-Engagement gegeben. Dabei gibt es durchaus Interesse, wie wir noch sehen werden.

Wie unausgereift das ursprüngliche Ideen-Konzept war, zeigt ein weiterer Aspekt: So sind in der LMP2-Klasse nur Pro-Am-Paarungen erlaubt, während in der IMSA SportsCar Championship vollwertige Profi-Lineups zugelassen werden. Somit würden die WEC-Teams in Le Mans in die Röhre schauen, von denen aus der ELMS ganz zu schweigen. Zwar müssten die IMSA-Teams einen dritten Fahrer zu den sonst nur drei Fahrern umfassenden Paarungen hinzufügen, doch Werksteams werden kaum einen Amateur aufnehmen wollen.

Es bleiben zwei Lösungen: Entweder die DPi-Boliden werden in die LMP1-Klasse gebracht, oder sie fahren in einer eigenen Klasse. Doch beide Lösungen sind problematisch: Eine fünfte Klasse will in Le Mans niemand. Neveu regte beim WEC-Prolog in Le Castellet an, die DPi als LMP1 non-hybrid starten zu lassen. Allerdings werden die WEC-Hersteller kaum zulassen, dass ihre sündhaft teuren Boliden von Low-Cost-Spec-Fahrzeugen im Kampf um den Gesamtsieg herausgefordert werden.

IMSA und WEC werden Konkurrenten

Womit auch schon der informelle Streitpunkt erreicht wäre: Eigentlich sind die IMSA SportsCar Championship und die LMP1-Kategorie Konkurrenten. Das IMSA-Statement sagt alles: "Die IMSA DPi-Kategorie verfolgt das Ziel, Herstellerengagements auf höchstem Niveau anzuziehen [...], wie es auch bei der Topkategorie des ACO, der LMP1, der Fall ist." Wer das eine Programm betreibt, wird kaum das andere machen. Der ACO setzt auf fortschrittliche Hybridtechnologie, IMSA auf kostengünstige Boliden mit größtenteils aus GT3-Fahrzeugen abgeleiteten Motoren.

Die hohen Kosten der LMP1-Kategorie sind momentan die größte Hürde für interessierte Hersteller. Die Schwelle, um halbwegs konkurrenzfähig zu sein, liegt bei 100 Millionen Euro pro Saison. Eine IMSA-Saison schlägt mit einem Bruchteil des Budgets zu Buche. So verwundert es nicht, dass amerikanische Medien reichlich Herstellerinteresse an der IMSA-Meisterschaft melden. Vom ACO gibt es zwar auch zu vernehmen, dass reichlich Hersteller Interesse haben, so richtig konkret ist aber derzeit nur Peugeot.


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Ausgerechnet Mazda, die auch für ein LMP1-Engagement in Frage kommen, gelten momentan als sicherste Kandidaten, ein großes Engagement mit dem Vierzylinder-Turbo in der IMSA zu fahren. Das Risiko ist wesentlich überschaubarer als sich dem High-Tech-Wettbewerb zu stellen. Nissan wirkt als abschreckendes Beispiel für die LMP1. In der IMSA SportsCar Championship sind derartige Fehlschläge aufgrund des engeren Reglements und der angedachten BoP nahezu ausgeschlossen. Der ehrliche Wettbewerb in der WEC verschlingt hohe Summen.

IMSA auch Alternative zu LMP1 non-hybrid

Neben Mazda zeigt auch General Motors Interesse aus der IMSA-Serie - statt Corvette voranzuschicken wird der US-Konzern wohl künftig auf Cadillac setzen und höchstwahrscheinlich den V6-Turbo aus dem ATS-V.R GT3 verwenden. Auch HPD hat den nie homologierten ARX-04b wieder aus der Garage geholt und fährt intensive Tests. Da dieses Fahrzeug, das dann unter "Grandfathered"-Regeln in der IMSA-Meisterschaft chancenlos wäre, wird dies als Vorbereitung für ein DPi-Engagement angesehen.

Unsicherere Kandidaten sind Bentley und Nissan. Während beim britischen Nobelhersteller anfangs große Begeisterung an der DPi-Kategorie bestand, ist es erst einmal still geworden. Es soll bereits ein Motor aus dem Continental GT3 in einem LMP3-Chassis getestet worden sein. Nissan könnte nach dem Debakel mit dem GT-R LM Nismo versuchen, sich mit einem IMSA-Engagement zu rehabilitieren. Über mehr als ein paar Gerüchte geht es hier aber nicht hinaus. Gleiches gilt für Alfa Romeo, die bereits mit einem Fahrzeugkonzept haben aufhorchen lassen. Solange aber kein Reglement da ist, wird es auch keine Ankündigungen geben.

Neben zahlreichen Herstellern haben auch diverse Privatteams Interesse an der IMSA SportsCar Championship angemeldet: Rebellion Racing könnte sich einen Wechsel vorstellen, sollte die Subkategorie LMP1 non-hybrid in der WEC 2017 nicht endlich durchstarten. Auch Greaves, ein Team, das eigentlich als LMP1-Kandidat galt, liebäugelt mit einem Engagement auf der anderen Seite des Atlantiks. Der ACO steht also unter enormem Druck, die LMP1 non-hybrid endlich erfolgreich zu machen.


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Es liegt auf der Hand: IMSA und ACO sind unfreiwillig zu Konkurrenten geworden. Und die IMSA hat gute Argumente auf ihrer Seite: Geringe Kosten, geringes Risiko, großer Automarkt. Die Vernunftehe zwischen IMSA und ACO könnte also schon bald weiteren Belastungen ausgesetzt sein. Es bleibt die Frage, ob die beiden Verbände versuchen, etwas zusammenwachsen zu lassen, was nicht zusammen gehört.

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