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Engel & van Gisbergen: Die Hintergründe zum Bathurst-Streit

Maro Engel ging mit Shane van Gisbergen in Bathurst hart ins Gericht - Warum der HTP-Pilot so ausrastete und wie die Aussprache am Mount Panorama ablief

(Motorsport-Total.com) - Natürlich ließ die Entschuldigung nicht lange auf sich warten, doch was vom Bathurst-12-Hour-Rennen 2017 den meisten Fans im Gedächtnis bleiben wird, ist neben reichlich Rennaction die teaminterne Auseinandersetzung bei HTP Motorsport. Maro Engel platzte vor laufenden Kameras der Kragen und er klagte seinen Teamkollegen Shane van Gisbergen öffentlich an. Dieser hatte zuvor in den letzten Minuten den Mercedes AMG GT3 im Kampf um die Führung in die Mauer gestopft.

Titel-Bild zur News: Maro Engel

Maro Engel sprach sich mit Shane van Gisbergen noch in Bathurst aus Zoom

"Er ist ein großartiger Fahrer. Ich habe mich bei Shane für die Kommentare, die ich im Eifer des Gefechts gemacht habe, entschuldigt", twitterte Engel bereits wenige Minuten nach seinem Interview, in dem er van Gisbergen zahlreicher Fehler bezichtigte. "Es hatte sich letztlich viel aufgebaut und aufgestaut und das ist dann einfach in meinem Interview herausgeplatzt", so der DTM-Rückkehrer im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Aber wir haben uns schnell gegenseitig entschuldigt. Er für seine Aktionen auf der Strecke und ich dafür, dass ich im Interview Dinge gesagt habe, die man besser intern klärt."

Doch was hatte sich dort aufgestaut? Shane van Gisbergen stand am äußerst heißen Bathurst-Wochenende komplett neben sich. Als amtierender Supercar- und Blancpain-GT-Meister bestritt er gemeinsam mit Engel und seinem sehr erfahrenem Landsmann Craig Baird das 12-Stunden-Rennen auf dem Mount Panorama Circuit. Sie mussten sich auf einen harten Kampf einstellen.

Technischer Nachteil führt zu Fehlern

Der Mercedes war von seiner Einstufung her dem Ferrari nämlich auf der Geraden nicht gewachsen - die Analyse der Sektorzeiten im Qualifying zeigt, dass Vilander/Lowndes/Whincup in den Topspeed-Sektoren eins und drei deutlich schneller waren und im zweiten - dem kurvigen Sektor auf dem Gipfel - fast Parität herrschte. Nur fahrerischer Einsatz konnte diesen Nachteil ausgleichen.

So kommt es zu Fehlern: Streckenrekordhalter van Gisbergen brachte im Qualifying seine Sektoren in drei Anläufen nicht zusammen. Kurz vor Schluss schien er endlich eine Runde hinzubekommen, warf diese aber in der letzten Kurve weg und verbaute sich somit auch gleich die theoretisch letzte schnelle Runde. So verpasste HTP das Einzelzeitfahren mit Startplatz 16 deutlich. Enttäuschend, aber in einem 12-Stunden-Rennen nicht weiter tragisch.


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Das Rennen begann vielversprechend für den Mercedes #22. Binnen kürzester Zeit tauschte der Mercedes unter den Top 5 auf. "Wir haben leidenschaftlich gekämpft, alles aus dem Auto herausgeholt und uns in eine Position gebracht, um den Sieg zu kämpfen", kommentiert Engel. "Das Team hat absolut hervorragend gearbeitet. Ich bin sehr stolz auf meine Jungs."

Hitzige Gefechte um persönlichen Stolz

Doch es gab auch Unstimmigkeiten: van Gisbergen verstrickte sich mehrere Stunden vor Schluss in ein Privatduell mit Jamie Whincup und Craig Lowndes um die Führung. Für die Zuschauer ein Genuss, für das Team ein Albtraum. Hier wurden bereits Gebiete für die bevorstehende Supercar-Saison abgesteckt, in der alle drei zu den absoluten Titelanwärtern gehören. Es kam, was kommen musste: Der Mercedes wurde leicht beschädigt, es fehlte Abtrieb. Dass zudem Craig Baird bei einem Restart Craig Lowndes abschoss, trug weder zur Gesundheit des AMG GT3, noch zum Abkühlen der Gemüter bei jenseits von 35 Grad bei.

Am Ende musste HTP Motorsport also mit einem auf der Geraden langsameren Auto, das dazu leichte Beschädigungen aufwies, den Kampf gegen den überlegenen Maranello-Ferrari aufnehmen. Dazu kam es ausgerechnet zum Duell Shane van Gisbergen vs. Jamie Whincup, den beiden Erzrivalen aus der Supercar-Serie. Beide sind dort Teamkollegen, aber gleichzeitig erbitterte Rivalen. Van Gisbergen schnappte Abo-Champion Whincup in der ersten Saison im selben Team den Titel weg, das Duell hatte also reichlich Brisanz.

Beim letzten Boxenstopp verzichtete HTP dann auf den Reifenwechsel, um 30 Sekunden Rückstand in vier Sekunden Vorsprung zu verwandeln. "Doppelstints konnten wir ohne Probleme fahren", bemerkt Engel, der sein Auto und Team dafür lobt. Doch damit fing sich HTP einen weiteren Nachteil ein, denn der Ferrari fuhr auf frischen Pirellis. Die Entscheidung schien eigentlich schon gefallen, als Whincup auf der Conrod Straight den Mercedes durchs Gras überholte. Ein zweiter Platz wäre für HTP noch immer ein Erfolg gewesen, doch van Gisbergen ging aufs Ganze - mit bekanntem Ausgang.

Aussprache in angespannter Atmosphäre

Der Abflug war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Nicht nur Maro Engel war stocksauer über eine Performance, die eines amtierenden Blancpain-GT-Meisters nicht würdig war. Engel ließ seinen Gefühlen von allen am meisten freien Lauf, doch seine Äußerungen vor der Kamera spiegelten nicht nur seine individuelle Meinung weiter.

Nicht nur mit van Gisbergen gab es einiges zu klären, auch Craig Baird mischte nach dem Rennen in der öffentlichen Auseinandersetzung kräftig mit. Er verteidigte seinen Landsmann nach Engels Interview: "Man kann ihn nicht dafür ansch***ein, dass er 110 Prozent gibt", twitterte er. Die Antwort vom - wie Engel äußerst angesäuerten - Technikchef Renaud Dufour, ebenfalls über Twitter: "Und wo ist in deinen Worten der Respekt für das Team?" Bairds Antwort: "Anders als viele andere Leute habe ich großen Respekt für jeden im Team. Egal ob Sieg, Niederlage oder Unentschieden."

In dieser angespannten Atmosphäre kam es zur Aussprache, als van Gisbergen zurück ins Fahrerlager gebracht wurde. Was er zu sagen hatte? "Sorry", lacht Engel. "Er hat 'sorry' gesagt. Er war enttäuscht, ich war enttäuscht und das Team natürlich auch. Schließlich hatten wir alle leidenschaftlich gekämpft. Wir haben uns kurz ausgetauscht, auch mit dem Rest des Teams. Danach war die Sache ehrlich gesagt zwischen uns beiden erledigt. Viel Zeit hatten wir ohnehin nicht mehr."